Kleine Geschichte meiner Nähwerkstatt

Meine 1. Nähwerkstatt 1968

Als ich etwa 10 Jahre alt war bekamen ich und meine Schwester eine Nähmaschine.Es war eine PFAFF, sie hatte noch keinen Motor dafür eine Kurbelwelle als Antrieb. Zu zweit schafften wir es sowohl das Nähgut vorne als auch die Kurbel hinten zu bedienen um mit mechanischer Hilfe nähen zu können. Was für ein Fortschritt!

Es waren die 60er Jahre- Barbie trat ihren Siegeszug an und meine jüngere Schwester bekam zu Weihnachten so ein edles Püppchen.Weil Barbie natürlich immer mit der neuesten Mode ausgestattet sein musste, war sie das Model unserer Wahl und es fehlte uns nicht an Ideen für ausgefallene Kleidungsstücke, die wir mit Hilfe unserer tollen Nähmaschine herstellten!Unsere Nähwerkstatt befand sich damals im Kellergeschoß unseres Hauses und das war für uns das Kreativ- Paradies! Zu dieser Zeit wechselte ich ins Gymnasium. Diese Schule war ein Realgymnasium mit einem hauswirtschaftlichen Schwerpunkt was bedeutete, dass Handarbeiten und Kochen wöchentlich zusätzlich am Stundenplan stand. Im damaligen Handarbeitsunterricht lernte ich die Grundbegriffe sowie deren praktische Umsetzung des Schneidereigewerbes. Nicht so umfassend wie in einer HBLA jedoch ausreichend um mein kreatives Hobby im textilen Gestalten zu professionalisieren.

Anfang der 70er Jahre, es war die sog. Hippi Zeit, war ich sehr produktiv – jetzt nähte ich Kleider für mich selbst im Stil der Flower-Power Bewegung- lange Röcke mit Rüschen bestickte Blusen, die Jeans wurden bearbeitet, bestickt und ausgefranst – je ausgefallener umso besser.Dann bekam ich endlich meine eigene elektrische Nähmaschine, das neueste Modell von ELNA und ab diesem Zeitpunkt konnte ich fast jedes Kleidungsstück selbst herstellen. Ich nähte auch viele Sachen für meinen Freund und für andere Freundinnen.Zu dieser Zeit war ich beruflich schon als Volksschullehrerin tätig, aber textiles Gestalten begleitete mich weiterhin.

Meine 2. Nähwerkstatt  1988

Ende der 80er Jahre wurde ich Mutter und befand mich in Karenz solange ich meine beiden Kinder betreute. In dieser Zeit beschäftigte ich mich schwerpunktmäßig mit dem Bemalen und Einfärben von Seidenstoffen und schneiderte daraus exquisite Unterwäsche.

Jetzt war für mich der Zeitpunkt gekommen, mein Hobby zum Beruf zu machen. Ich gründete ein Label und stellte eine kleine Kollektion zusammen: für Herren feine Seidenshorts mit passenden Seidenkrawatten und für Damen gab es ebenso Shorts mit Seidenunterhemdchen. Ich fand in Ungarn eine kleine Produktionsstätte und für den Vertrieb war auch gesorgt.

 

Alles lief bestens, doch dann war meine Karenzzeit zu Ende und ich musste entscheiden zwischen Beamtenlaufbahn und meinem freiem Gewerbe, das noch in den Kinderschuhen steckte.

Ich entschied mich für die Schule und betrieb das Modegewerbe wieder als Hobby nebenbei!

 

Meine 3. Nähwerkstatt 2008

Im Jahr der Bankenkrise hatte ich auch eine Krise- die betraf mein Berufsfeld.In den Jahren davor absolvierte ich diverse Ausbildungen im Bereich der Begabtenförderung. Das verlangte von mir sehr viel Zeit und Energie und so beschloss ich ein Jahr Karenz(Auszeit) zu nehmen und mich wieder meiner Leidenschaft, dem Entwerfen und Kreieren von textilen Produkten zu widmen.

In diesem Kontext beschloss ich für mich ein Experiment zu starten: Ich verzichte auf den Kauf von neuen Klamotten!

Da ich seit 30 Jahren kaum Kleidung weggegeben hatte, war meine Sammlung aus Vintage- Textilien und sonstigen Kleidungsstücken von Verlassenschaften oder von Freundinnen bereits beachtlich angewachsen. da ich nun über freie Zeitressourcen verfügte, beschloss ich, diese Sachen zu reparieren, upzucyceln, wieder zu entdecken oder einfach neu zu kombinieren. Und es bereitete mir großen Spaß. Ich adaptierte die Wohnung meiner verstorbenen Schwiegermutter zu einer Nähwerkstatt um, ordnete meinen Materialienfundus und stürzte mich in die Arbeit. Viele alte Sachen bekamen ein neues Aussehen, kaputte Details wurden kreativ repariert und aus so manchen alten Vorhängen und verwaschenen Wollpullover entstanden Designerstücke- Unikate im Upcycling Stil !

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Nur 3 Monate nach Antritt meines Karenzjahres bekam ich ein interessantes Angebot von Stiftung Talente im Team der Begabtenförderung OÖ mitzuarbeiten. Dieses Angebot passte gut in mein zukünftiges Lebenskonzept, weil ich diese Tätigkeit mit einem Stundenausmaß von etwa 25 WST. limitierte. Da blieb genug Zeit mein Privatprojekt weiter zu betreiben.

Ich verzichtete nun bereits  seit einem Jahr auf den Kauf von  neuen Klamotten!

Ich lud die Töchter von Freundinnen zusammen mit meiner Tochter zu mir in mein Atelier ein  und wir veranstalteten Upcycling Modeshootings mit meinem mittlerweile beachtlich angewachsenen Repertoire an Upcycling Kleidung. Es entstanden ganz tolle Fotostreams, die Mädels bekamen ihre Bilder auf eine CD gebrannt und nahmen außer den Fotos hoffentlich auch von der Idee des Wiederverwendens und Verwertens etwas mit, um ihr eigenes Konsumverhalten kritischer zu betrachten.

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Später veranstaltete ich Sommerkurse, wo die jungen Damen mit meiner Hilfe selber kreative Kleidungsstücke aus alten Klamotten  fertigten. Wir unterhielten uns auch über Fair trade und Öko-Labels und ich versorgte sie mit einschlägigen Texten zu diesen Themen.

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Seit 5 Jahren keine neuen Klamotten  gekauft!

2014 veranstaltete ich die erste Kleidertauschparty zusammen mit Freundinnen ! In meinem Atelier begann ich erste Idee-Kaffees für Freundinnen und Bekannte per Newsletter auszuschreiben.

2015 trat ich meine Pension an und so blieb mir noch mehr Zeit für das Gestalten von Textilprodukten.Im Herbst übersiedelte ich meine kleine Nähwerkstatt ins EG unseres Hauses und gründete mein Atelier für Textildesign und Upcycling.

2016 präsentierte ich meine Upcycling-Mode im Rahmen des Gmundner Ostermarktes  im Atelier am Markt.

    Seit 7 Jahren kein Einkauf neuer Klamotten!

Das Interesse an Ideekaffees, Kursen für Upcycling und das Nähn im Coaching System war groß und so kamen in Abständen immer mehr Leute in meine Nähwerkstatt zum Schauen, Stöbern, Beraten. Viele brachten ihre alten Lieblingsstücke mit zum Reparieren und Umarbeiten. Ich fand eine Freundin, die in ihrem Geschäft in Gmunden meine Kleidungsstücke verkaufte und so vergrößerte sich mein Kundenkreis.

Im Juni 2016 übersiedelte ich mein Atelier abermals. Diesmal adaptierte ich die Räumlichkeiten  im 1. Stock des Schmiedehauses von Bad Wimsbach. Hier war jetzt alles perfekt. 70 m2 , 2 große helle Räume, einer für die Nähwerkstatt und einer für Kurse und Veranstaltungen. Einen weiteren Raum erklärte ich zum Tauschladen.

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Eine gute Freundin konnte ich gewinnen, sich mit mir die Öffnungszeiten für Tauschladen und Nähwerkstatt zu teilen und so können wir das Geschäft gemeinsam sinnvoll betreiben.Die Kombination Tauschladen und Nähwerkstatt hat sich bewährt, weil immer gleich vorOrt geändert, repariert oder upgecycelt werden kann.

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